Akklimatisieren im Montafon
Unser Früh-Herbst-Urlaub führt uns nach Österreich, ins schöne Montafon in Vorarlberg. Schon als Kind habe ich in den Winterferien in Schruns mein Unwesen getrieben. Die letzten Jahre zieht es uns aber eher in den späten Sommermonaten zum Wandern in die montafoner Bergwelt.
Da ich zu der Gattung der Lärchen gehöre, kommen wir am Anreisetag bereits am frühen Samstagnachmittag in Schruns an und fallen dort noch vor Geschäftsschluss im Infobüro ein. Wir greifen geschickt in die Auslagen und ergattern Magazine, Flyer und Prospekte mit ansprechendem Äußeren. Unsere Errungenschaften breiten wir später in unserer Ferienwohnung auf dem Esstisch aus. Ich stürze mich gleich auf ein Magazin mit dem vielversprechenden Titel „Alpin, Das Bergmagazin, Montafon“. Dahinter verstecken sich Touren-, Themen-, und Hüttenrunden. Voller Eifer suche ich uns ein geeignetes Türchen, mit dem Hinweis „leicht“ heraus, relativ eben, nur 200 Meter Anstieg bis zur Alpe Garnera (der Abstieg ist einiges mehr) und vier Stunden Gehzeit, genau das Richtige zum Akklimatisieren.
Alpe Garnera
Bei herrlichstem Bergwetter starten wir unsere Tour von der Mittelstation des Golm auf einem breiten Weg der Sorte „Langweilig“. Die Ausblicke die wir zwischendurch erhaschen sind zum Glück alles andere als langweilig, haben wir doch immer wieder freie Sicht auf die Berghänge und Gipfel auf der gegenüberliegenden Seite des Tales.
Wir marschieren weiter und machen Strecke. Unser Ziel ist die Alpe Garnera. Beim Maisäß Lifinar, kommen wir an einer Szene vorbei, die aus einem alten, nachcolorierten Luis Trenker Film stammen könnte. Nicht zuletzt wegen der stimmungsvollen Beleuchtung, hat sie Dramapotential.
Unser Weg führt uns in ein nur zu Fuß zu erreichendes, wildromantisches Hochtal. Hier schlängelt sich der Garnerabach durch saftig grüne, mit Wildblumen übersäte, Almwiesen. Wären wir in der Schweiz, würde ich nach Heidi Ausschau halten.
Stattdessen hat es hier oben allerlei Getier. Nutztiere wie Kühe und Ziegen, sie geben die gute Milch für den leckeren Käse, der auf der Alpe Garnera in Handarbeit hergestellt wird. Aber auch wildes Getier, wie das Alpenmurmeltier, das oberhalb der Baumgrenze zuhause ist. Wir hören die langen Pfiffe des Murmeltierwächters, der offensichtlich unsere Reisebegleitung als Bedrohung einstuft.
Auf dem leicht ansteigenden Weg zur Hütte genießen wir Stadtmenschen die gute Bergluft, die immer wechselnden Ausblicke und den blauen Himmel, der hier definitiv blauer ist als bei uns. Wir freuen uns auf die bevorstehende Rast und die erste Brotzeit des Urlaubs, mit handgeschöpfter Butter und selbstgemachtem Käse, auf einer urigen Alpe, eingerahmt von schroffen Felswänden.
Vom rechten Weg abgekommen
Nur schwer können wir uns von dieser Idylle trennen, aber der Wetterbericht bedeutet nichts Gutes, Gewitter für den Nachmittag. Schweren Herzens machen wir uns auf den Heimweg und Abstieg nach Vandans, wo unser Auto parkt.
Wir gehen vorbei am Fengatobel und dem Maisäß Ganeu, wo sich eine der ältesten Doppelscheunen des Montanfon befindet. Von hier aus führen zwei ausgewiesene Wege hinab ins Tal. Rechts ein breiter, langweiliger Fahrweg und links ein schmaler Weg durch den Wald, und, noch schwach zu erkennen, mit einem blauen Balken gekennzeichnet. Blaue Pisten kenne ich vom Skifahren, diese Markierung bedeutet im Winter „leichte Abfahrt“. Verausgaben wollen wir uns am ersten Wandertag nicht, also wählen wir links, blau. Bereits nach den ersten Metern wird der Weg zu einem schmalen Pfad, steil und feucht. Wir befinden uns auf dem Schluchtenweg, unter uns tobt der Rasafeibach.
Wir gehen über Gitterbrücken, Felsen und aufgeweichten Waldboden und vermissen Wanderstöcke, diese könnten unsere Trittsicherheit enorm verbessern. Trotz seines Vier-Pfoten-Gehwerks muss Merlin über Roste getragen und von Felsbrocken heruntergehoben werden.
Der Weg geht in jedes einzelne unserer zwei Beine, genau das wollten wir am ersten Urlaubstag vermeiden. Wir quälen uns den steilen, rutschigen Waldweg hinab, tun es in einigen Passagen dem Hund gleich und benutzen alle Viere für den Abstieg. Klitschnass erreichen wir den Parkplatz, verantwortlich dafür ist nicht der angekündigte Regen.
Reisen bildet
Unser nächster Tag ist gleich ein Lesetag auf unserer wunderschönen Aussichtsterrasse, hier pflegen wir unseren Muskelkater.
Erst ein paar Tage später erfahren wir, dass Markierungen mit blauen Balken im Sommer, „schweres Terrain“ bedeuten. Und wieder eine Lektion aus dem Kapitel „Reisen bildet“ gelernt.